Wundervoll vielschichtiges Buch
4
Von Mosoke11
Rezension KKC Band 1 und 2
Achtung SPOILER!
Ob man das Werk Patrick Rothfuss‘ in die Riege von Autoren vom Format eines JRR Tolkiens einreihen kann wie des öfteren behauptet? Das Urteil steht mir nicht zu. Letztendlich schreiben beide Fantasy, das ist aber auch schon das Ende der Gemeinsamkeit. Wo Tolkien den Weg einer Gemeinschaft Ausgewählter aus allen Völkern Mittelerdes beschreibt, im epischen Kampf gegen den Untergang der Welt, das ultimative Böse, wählt Rothfuss eine Coming-of-age Geschichte aus der Perspektive des Helden. Eine Geschichte, erzählt in drei Tagen, respektive 3 Bänden (Originalausgabe).
Sie erzählt von Kvothes Kindheit in einer Schausteller-Truppe, seine Ausbildung durch Schauspiel und Theaterstücke, durch Lieder sowie Lautenspiel und Sangeskunst und verschiedenen Personen, die sich dem Schutz der Truppe auf ihren Reisen anschließen. So lernt er z.B. in der Natur zu überleben, zu jagen, Elemente der Heilkunst, Heilpflanzen kennen und bekommt eine Ausbildung, die ihm die Voraussetzungen zur Aufnahme an die Universität mitgeben. Schließlich der Schicksalschlag durch den Tod der Eltern und der ganzen Schauspieltruppe, weil sie das „falsche Lied“ sangen. Rückzug ins Vergessen, zunächst halb verwildert im Wald, schließlich als Bettler und Dieb in der Stadt. Erweckt durch die Geschichte eines fahrenden Sängers, erinnert sich der Protagonist an seine Bestimmung und wird trotz aller Widrigkeiten an der Universität angenommen, schlägt sich mit Geldnot, Missgunst und Ungerechtigkeit herum. Gewinnt Freunde, trifft seine Seelengefährtin und verliert sie doch immer wieder aus den Augen.
Fasziniert bin ich vom Schreibstil, der Sprache von Rothfuss. Gelesen habe ich „Tag 1“ und „Tag 2“ im englischen Original. Wunderschöner, poetischer Text und Wortspiele. Insbesondere wenn einem plötzlich auffällt, dass sich immer wieder mitten im Text das Geselene reimt (z.B. Gespräche mit Felurian). Ich bin mir sicher, dass ich diesbezüglich längst nicht alle Stellen bemerkt habe. Aber auch die Bennung des Ortes Newarre: Wenn man liest, dass sich Chronicler auf dem halben Weg nach Newarre befindet (halfway to Newarre) oder Kvothe erzählt, dass die Waystone Inn mitten in Newarre liegt (in the middle of Newarre) und dies laut vor sich hin liest, wird Newarre dann zu Nowhere; das Gasthaus mitten im Nirgendwo. Schade dass man bei der deutschen Übersetzung keinen Weg gefunden hat, dieses entsprechend einzubringen. (Möglich wäre z.B. gewesen Newarre mit Nihrgens oder Nihrgennwo oder ähnliches zu übersetzen. Und das sind nur die spontanen Einfälle inerhalb von einer Minute Nachdenken!)
Vieles erschließt sich erst bei einem nochmaligen Lesen beider bisher erschienenen Bücher, z.B. wenn Kvothes Vater in einem Necklied die Identität von Kvothes Mutter in einem Wortspiel preisgibt, diese wütend darauf reagiert und selbst Kvothe keinen Schimmer hat wieso. (Keine Ahnung ob und wie das in der deutschen Übersetzung umgesetzt werden konnte). Auch bekommen die zahllos eingestreuten Geschichten plötzlich sehr viel mehr Bedeutung und nach und nach verschwimmen die Grenzen zwischen Gut und Böse, wird es immer unklarer auf welcher Seite die Gegenspieler Chandrian und Amyr stehen. So wird nahezu identisch erzählt, dass Kvothe mit dem Trauma des grausamen Verlusts der Eltern nur weiter existieren kann, weil es ihm möglich ist zu schlafen und zu vergessen, die nächsten Stufen wären verrückt werden und Tod. Lanres Geschichte dagegen beschreibt, wie er seine Persönlichkeit verliert, er zu Haliax wird, weil ihm die Coping-Möglichkeiten Schlaf, Vergessen, Verrückt werden und sogar der Tod versagt bleiben. Mehr als einmal wird betont „There is no good story that doesen‘t touch the truth“ aber „You have to be a bit of a liar to tell a story the right way.“(!!!) Und gerade die Rahmengeschichte, v. a. gegen Ende von „Tag 2“ lässt einen dann am Wahrheitsgehalt von Kvothes Version seiner Geschichte zweifeln. Es ist diese Vielschichtigkeit, die mich fasziniert und weshalb kann ich die Herausgabe des dritten Bandes „day 3: door of stone“ kaum erwarten kann. Der Wermutstropfen dabei: Es scheint doch sehr unwahrscheinlich, dass die Geschichte in diesem letzten Band der Trilogie zu ihrem Abschluss kommen kann. Natürlich, Kvothe wird dann seine Geschichte erzählt haben, doch es ist klar, dass der Konflikt noch lange nicht zu seinem Abschluss gekommen ist, noch kein Frieden herrscht im Land, die Menschen von Magie und ihren Kampfspinnen-Artefakten etc. bedroht sind. Ich kann nicht erkennen, wie Rothfuss diesen abschließenden Kampf im letzen Band zu Ende bringen will, ohne plötzlich flach und hastig zu werden.
Und damit kommen wir zur Kritik:
Auf irgeneiner Plattform hat der Autor zum Ausdruck gebracht, dass er die Kingkiller Chroniken definitiv in einer Trilogie zum Abschluss bringen will. Und auch wenn sich mir in Anbetracht des Erzähltempos und des Fortschritts der Geschichte in Band 2 (engl. Ausgabe) nicht erschließt, wie er das schaffen kann, spüre ich in mir schon den Unmut wachsen bei dem Gedanken, Rothfuss werde sich nicht an diese Aussage halten und denkt, dass er mit einem Gebaren à la George RR Martin durchkommen kann (aus geplanten 3 mach 7)!
Definitiv leiden beide Bände unter gewissen Längen. Der Alltag an der Universität, die Geldsorgen und Konflikte mit Ambrose wären mit weniger Episoden sicherlich besser bedient gewesen. Unwillkürlich drängt sich der Vergleich auf zu Fernsehserien: Mit irgendwelchen Verwicklungen müssen die einzelnen Episoden halt gefüllt werden! Diesbezüglich würde es der Geschichte guttun, hätte sich Patrick Rothfuss entschieden, sich vom ursprünglichen Konzept einer Erzählung in drei Tagen zu verabschieden, so schön dieses auch sein mag. Doch noch ist Band 3 nicht erschienen und es bleibt abzuwarten, ob und wie der Autor die Kurve kriegt.
Deswegen „nur“ 4 Sterne.