Narzißmus als Narkose Die griechische Sage von Narziß hat, wie das Wort Narziß an-deutet, direkt mit einer Gegebenheit menschlicher Erfahrung zu tun. Es kommt vom griechischen Wort narkosis oder Betäubung. Der Jünglin Narziß faßte sein eigenes Spiegelbild im Wasser als eine andere Person auf. Die Ausweitung seiner selbst im Spiegel betäubte seine Sinne, bis er zum Servomechanismus seines eigenen erweiterten und wiederholten Abbilds wurde. Die Nymphe Echo warb um seine Liebe mit Bruchstücken seiner eigenen Worte, doch vergebens. Er war betäubt. Er hatte sich der Ausweitung seiner selbst angepaßt und war zum geschlossenen System geworden. Nun, worauf es bei dieser Sage ankommt, das ist der Umstand, daß Menschen sofort von jeder Ausweitung ihrer selbst in einem andern Stoff als dem menschlichen fasziniert sind. Es hat Zyniker gegeben, die fest behaupten, daß Männer sich am innigsten in Frauen verlieben, die ihnen das Vorstellungsbild ihrer selbst wiedergeben. Sei dem, wie es wolle, die Lehre aus dem Narzißmythus besagt in keiner Weise, daß Narziß sich in irgend etwas, das er als sein Selbst betrachtete, verliebt hat. Marshall McLuhan