VI. Mit einem Weitwinkelobjektiv, so empfiehlt es die Fachliteratur, könne man auch Beobachtungen am Rande einer Bildachse wahrnehmen, die bei dem Betrachten keinerlei argwöhnische Gefühle auslösen würden. Doch wie er bemerkte, bedeutete diese Arbeitsweise keinerlei Zugewinn für seine Arbeit, sondern zeigte in seinen Ergebnissen zwar ein äußerst komplex wirkendes Abbild, daß aber extrem gedrungen und klein schien. Erst durch starke Vergrößerung eines Bildausschnitts stellte sich der Effekt der Observation ein, der aber gleichzeitig immer einen Verlust der eigentlichen Bildinformation bedeutete. Aus diesem Grund beschloß er fortan nur noch Teleobjektive zu verwenden die den erfaßten Gegenstand oder Menschen deutlich aus seiner Umgebung herausstellten. Die so gewonnene Entfernung zu den fotografisch entfernten Menschen schütze ihn vor schneller Entdeckung und nährte in ihm die Hoffnung etwas über das Wesen des so von ihm Dargestellten zu erfahren. Doch löste diese Distanz in keiner Weise das von ihm erkannte Problem, sondern zeigte nur, daß das fotografierte Objekt, durch einen Selbstschutz dem von ihm gelebten Alltag, von einer Schutzhülle umgeben war und dadurch keinerlei Aussagen über seinen Inhalt machte. Die Konsequenz aus dieser Beobachtung bedeutete, daß die fotografierten Personen nur in einer direkten Begegnung, mittels eines Gesprächs, das sie umfassend schützen würde, bereit sein würden, Auskunft über das Wesen der sie umgebenden Wirklichkeit zu geben. Diese Fotos konnte er mit einem Normalobjektiv machen das an jeder Kamera beim Neukauf vorhanden ist. So, dachte er, könnten die Dargestellten niemals etwas über den empfindlichen Gegenstand seiner Betrachtung erfahren. Doch die Wirklichkeit schweigt, begriff er.