Trauer und Wut
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Von Sinsh91
Ida musste in ihrem jungen Leben bereits viel durchmachen. Nachdem ihre große Schwester Tilda sie schweren Herzens mit der alkoholkranken Mutter allein in dem „traurigsten Haus der Fröhlichstraße“ gelassen hat, um außerhalb der Kleinstadt zu studieren, setzt „Windstärke 17“ einige Jahre nach Caroline Wahls Debütroman „22 Bahnen“ an.
Überwältigt von tiefer Trauer, Schuldgefühlen und Wut und ohne einen richtigen Plan, wie es weitergehen soll, beschließt Ida, all ihre Halbseligkeiten in einen Koffer zu stopfen und das Weite zu suchen. Sie will weg. Einfach nur weg aus der jetzt menschenleeren Wohnung, in der sie zuvor noch mit ihrer nun verstorbenen Mutter gelebt hat.
Zwiegespalten begibt sich Ida auf den Weg zu Tilda und deren Familie, doch anstatt den Zug in Hamburg zu verlassen, verpasst sie erschöpft von schlaflosen Nächten ihren Halt und landet schlussendlich auf Rügen. Hier beginnt für sie eine Art Neustart.
Völlig überfordert und vom „Wutklumpen“ geplagt, stürzt sich Ida immer wieder in nicht ganz ungefährliche Situationen, um ihren Gedanken und Gefühlen zumindest zeitweise zu entfliehen.
Trotz der schwerverdaulichen Themen und düsteren Stimmung ist es zugleich eine Geschichte, die Hoffnung macht. Nach dem schweren Verlust findet Ida in Marianne und Knut zwei Menschen, die sie bedingungslos unterstützen und bei sich aufnehmen. Das Ehepaar bietet der psychisch labilen Ida den Rückhalt und die Sicherheit, die sie in ihrem bisherigen Leben aufgrund der Vernachlässigung durch die Mutter nur eingeschränkt durch die aufopferungsvolle Schwester erfahren hat.
Und dann ist da auch noch Leif, der - geplagt von seinen eigenen Dämonen - wieder Licht in Idas Alltag bringt.
Ein weiterer Schicksalsschlag lässt jedoch nicht lange auf sich warten und reißt Ida erneut den Boden unter den Füßen weg. Am Ende scheint sie dennoch gestärkt und trotz aller Widrigkeiten zuversichtlich in die Zukunft zu blicken.
Caroline Wahl gelang es bereits in ihrem ersten Buch starke, authentische Charaktere zu erschaffen. Ida, die in „22 Bahnen“ noch ein Kind ist, durchlebt eine große Entwicklung und schürte damit bereits früh Neugier, wie es in „Windstärke 17“ mit ihr weitergeht.
Mit dem Nachfolger gelang es Wahl eine tiefberührende und emotionale Geschichte zu erschaffen. Ihr ganz eigener Erzähl- und Schreibstil bringen eine gezielt inszenierte Komik und Leichtigkeit mit sich, welche die schweren Themen abmildern und zugänglicher machen.
Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen und habe es genau wie schon „22 Bahnen“ innerhalb kürzester Zeit durchgelesen. Für mich eine ganz klare Empfehlung!